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Eine Ehe in WienOverlay E-Book Reader

Eine Ehe in Wien

Roman | David Vogel


2017 Aufbau Digital
Auflage: 1. Auflage
496 Seiten
ISBN: 978-3-8412-1292-4

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Kurztext / Annotation

In den Fängen einer dunklen Liebe In seinem Meisterwerk beschreibt David Vogel in sensibler wie schonungslos offener Sprache die Liebesqualen eines angehenden Schriftstellers und erzählt dabei von nichts Geringerem als vom Kern des Daseins: Rudolf Gordweil ist im Wien der zwanziger Jahre einer Femme fatale verfallen. Von Woche zu Woche mehr gedemütigt und erniedrigt, braucht er die Kraft des Verzweifelten, um endlich zum Befreiungsschlag auszuholen. »Eine Ehe in Wien zählt zu den sechs, sieben besten Büchern, die mir je untergekommen sind.« Maxim Biller



David Vogel, geboren 1891 in Satanow, lebte ab 1912 in Wien. 1929 emigrierte er nach Palästina, kurz darauf erschien 'Eine Ehe in Wien'. 1930 zog er nach Paris. Nach der Besetzung Frankreichs wurde er ins KZ Auschwitz deportiert und 1944 ermordet. Heute gilt er als großer Erneuerer der hebräischen Literatur. 2013 konnte sein verschollener Roman 'Eine Wiener Romanze' erstmals veröffentlicht werden.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

»Komme ich auch nicht zu spät?«, lächelte die Baronin und streckte ihm die Hand entgegen.

»Ja, doch. Weil ich schon seit gestern warte ...«

»Aber nicht die ganze Zeit hier, hoffe ich. Das wäre ein bisschen langweilig.«

Sie setzte sich auf die Polsterbank an der Wand, entnahm ihrer Handtasche eine Schachtel Zigaretten, zündete sich eine an und ließ auch Gordweil eine nehmen. Dann sog sie den Rauch begierig ein wie ein alter Raucher, der sich lange enthalten hat, und bestellte schwarzen Kaffee.

Gordweil steckte voller Dinge, die er ihr sagen wollte, aber die Zunge war ihm wie angewachsen. Er saß ihr gegenüber und blickte sie zärtlich an, während ein leises, schüchtern-vergnügtes Lächeln nicht aus seinem Gesicht wich. Die Baronin trank aus und fragte ihn nach seinem Vornamen.

»Ah, Rudolf«, sagte sie. »Rudolf, Rudolfus, Rudolfinus! Mein Vetter heißt auch Rudolf. Er ist etwa zwei Kopf größer als Sie - aber er ist ein Rindvieh.«

»Ich, ich f-freue mich wirklich, dass er ein R-rindvieh ist«, stammelte Gordweil mit törichtem Grinsen.

»Was? Sie freuen sich? Sie freuen sich, dass er ...« Die Baronin brach in unbändiges Gelächter aus.

»Das heißt«, Gordweil erlangte die Fassung wieder und versuchte zu korrigieren, »das heißt, ich weiß nicht ... Ich freue mich sicherlich über etwas anderes  ... Habe mich nicht richtig ausgedrückt  ... Ich stelle ihn mir lang und mager vor, mit glatter Brillantinfrisur, Mittelscheitel und stets geputzten Schuhen, die schön glänzen. Lackschuhe. Und wenn er einen Menschen anschaut, neigt er den Kopf ein wenig nach rechts wie ein Huhn und setzt eine höchst würdevolle Miene auf, was ihn sehr lächerlich wirken lässt, da er in Wirklichkeit ja nichts als ein Rindvieh ist ...«

»Fein haben Sie ihn beschrieben - aber keine Lackschuhe, sondern stets braune. Und den Stock haben Sie vergessen, mit dem goldenen Knauf. 'Dorothea' - er nennt mich immer Dorothea, weil das würdiger und traditioneller klingt - 'Dorothea', sagt er mit lächerlich greisenhafter Ernsthaftigkeit, 'du bist Spross einer alten Rasse. Die Vorfahren haben zu den Kreuzfahrern gezählt, vergiss das nicht. Du musst dich vor allem vor den Juden in Acht nehmen. Die Stadt Wien ist vom einen Ende zum anderen verjudet. Es wird nicht mehr zwischen Blut und Blut unterschieden. Sie verpesten die Luft. Ohne sie hätten wir den Krieg nicht verloren.' Und dabei läuft er selbst einer kleinen Jüdin nach, die ihm die Sinne verwirrt.«

»Und gehorchen Sie ihm, mein Fräulein?«, forschte Gordweil.

»In welcher Hinsicht denn?«

»Die Reinheit der Rasse zu bewahren?«

Die Baronin brach in lautes, hartes, zügelloses Gelächter aus.

»Wissen Sie«, sagte sie auf einmal zusammenhanglos, »nennen Sie mich einfach Thea. So ist es richtiger. Titel sind nicht nach meinem Geschmack.«

Gordweil warf ihr einen dankbaren Blick zu. Schlug aus irgendeinem Grund vor, Cognac zu bestellen. Leichtsinn war in ihn gefahren: Seine weiblich schmalen, blassen Hände suchten nach einem Gegenstand, der ihre überschüssige Energie aufsaugen könnte, bis er unter dem Tisch eine Hand der Baronin fand, die keinerlei Gegenwehr zeigte. Der Kellner servierte zwei Gläser Cognac, und Gordweil leerte seines in einem Zug. Die Baronin erklärte, morgen, Samstag, habe sie ganz arbeitsfrei, weil »der General« (so nannte sie den Rechtsanwalt, bei dem sie arbeitete) bis Montag weggefahren sei, und sie könne heute Abend länger ausbleiben.

»Das ist gut, das ist ausgezeichnet«, sagte Gordweil begeistert.

Sie redeten und schwiegen und redeten erneut, dem Anschein nach alltägliche Dinge, die doch von verborgener Bedeutung erfüllt waren, und die Zeit flog, von Gordweil unbemerkt, vorbei wie ödes Steppenland zu beiden Seiten eines Expresszugs.

Es war gegen elf. Beide verspürten unvermittelt den Drang, das Café zu verlassen. Gordweil rief dem Kellner u



David Vogel wurde 1891 in Satanow, Podolien, geboren und schrieb Lyrik und Prosa in hebräischer Sprache. Von 1912 bis 1925 lebte er in Wien, später zog es ihn nach Zwischenaufenthalten in Berlin und Palästina nach Paris. Nach der Besetzung Frankreichs wurde Vogel von der Gestapo verhaftet und ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert, wo er 1944 ums Leben kam. Sein Werk umfasst expressionistische Gedichte, mehrere Novellen und Romane.