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Das Haus der schwarzen SchwäneOverlay E-Book Reader

Das Haus der schwarzen Schwäne

Roman | Jelle Behnert


2017 Aufbau Digital
Auflage: 1. Auflage
480 Seiten
ISBN: 978-3-8412-1310-5

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Kurztext / Annotation

Der Aufstand der Spitzenklöpplerinnen. Tøndern 1693, ganz Europa ist verrückt nach Spitze. Doch bei der Herstellung der filigranen Stoffe werden Tausende von Mädchen in Fabriken ausgebeutet und unterdrückt. Falka ist eine von ihnen. Nach dem Tod ihres Vaters hat sie die Heimat verlassen, um in Tøndern ihren Lebensunterhalt durch Klöppeln zu verdienen. Aber anders als ihre Leidensgenossinnen fügen sich Falka und ihre Freundinnen nicht ihrem Schicksal, sondern wagen etwas nie Dagewesenes: Sie lehnen sich gegen die Herrschenden auf. Und während sich auf der Weltbühne der Große Nordische Krieg anbahnt, kämpfen die Frauen ihre eigene Schlacht. Ein sprachgewaltiger historischer Roman über die Blütezeit der Spitzenmanufaktur.



Jelle Behnert wurde 1962 geboren, studierte in Berlin Publizistik und Literaturwissenschaften, schrieb danach u.a. für das Zeit-Magazin sowie Features für den Hörfunk und Drehbücher. 'Liebe Steine Scherben' war ihr Debüt.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

2
Der Angstmann

Falka begleitete Peder zum Schiff. Man rief Wilken Wilkensen, dass seine Tochter da war.

Falkas Vater war furchtlos wie einer, der den Tod nicht fürchtet, und gleichmütig wie einer, dem sein Leben gleich war. Obwohl er noch nicht alt war, war sein Haar ergraut und sein Gesicht vom Grübeln gefurcht. Seine Söhne waren gestorben. Sie waren beide hellblond gewesen, ihre Köpfe hatten gestrahlt wie Leuchtturmkuppeln, und er hatte sie auf den Schultern getragen. Vom Anbeginn ihres kurzen Lebens hatten sie Falka überstrahlt. Falka musste in den Schatten treten, als seine Söhne zur Welt kamen. Er hatte Falka nie auf seinen Schultern getragen. Weil sie ein Mädchen war, gebot sich das nicht.

Dann wurden die Söhne krank vom Bauchweh. Sie erloschen jäh. Erst der eine. Dann der andere.

Im Dorf flüsterten sie, dass es an der Ehe lag. Es sollte nicht sein, dass ein Mann und sein Weib so eng verwandt waren, da komme nichts Gutes bei raus, auch wenn die Inzucht auf der Insel gang und gäbe war. Mädchen brachte das nicht um, die wurzelten im Leben wie Giersch. Knaben dagegen waren verderblich, wenn sie aus solcher Saat kamen.

Als seine Söhne tot waren, kaufte Falkas Vater einen Strick. Er hängte den Strick über dem Bett auf, wo Falka mit ihnen geschlafen hatte. So tat man es, wenn man jemanden verdächtigte, aber keinen Beweis hatte. Dann hängte man einen Strick auf, damit die schuldige Person wusste, dass man sie für schuldig hielt. Wenn sie ein Gewissen hatte, nahm sie den Strick vom Nagel, ging damit in den Wald und hängte sich auf.

Falka hatte ein reines Gewissen, sie rührte den Strick nicht an. Er hing weiter an der Wand.

Sie hatte jetzt das Bett für sich allein. Die Brüder waren tot. Nie mehr ihre schnorchelnden Atemzüge, ihre wärmende Schmiegsamkeit. Dafür hörte sie den Vater schnarchen, als ertrinke er, wenn er schlief, im Unglück. Wie unter Wasser hielt er endlos lang die Luft an, bis er mit einem Röcheln der Todesangst auffuhr.

Er sah seine Söhne im Bett liegen, zutraulich an die Schwester geschmiegt, diesen mageren Mädchenstrunk. Hatte sie ihnen, wenn sie schliefen, Gräten in den Bauch gestochen? Es ließ ihm keine Ruhe. Er hätte die Bäuche seiner toten Söhne durchwühlen müssen für die Gewissheit. Seine Gewissheit stand gegen ihr Gewissen. Manches Mal sah er Falka so an, als wollte er ihr den Schädel auseinanderbrechen, um die Wahrheit zu finden.

Vater? Was suchst du? Sag doch! - Ich bin gut.

Seine drei jüngsten Töchter lagen ihm nicht am Herzen. Wenn er sah, wie liebevoll Falka sie hütete, sah er vier robuste Lebensfäden, die so eng verbunden waren, dass der Strick, der daraus gewirkt wurde, stärker war als jener, der für Falka an der Wand hing. An diesem Strick wollte Wilken Wilkensen sich aufhängen. Vier unbrauchbare Töchter wuchsen und gediehen auf dem Humus ihrer begrabenen Brüder.

Ermordete Kinder, so sagte man, suchten nachts ihre Mörder heim. Aber Falka schlief seelenruhig.

Sie kam mit Peder aufs Schiff.

»Vater«, sagte sie fordernd, damit er sich nach ihr umwandte.

Er tat es. Falka, seine älteste Tochter, liebte ihn von ganzer Seele. Ihr unerbittlicher Blick verlangte, dass er sie liebte wie zwei Söhne. Aber er konnte nicht. Er trat hinter sie und stopfte ein Fischnetz in ihren Wurmkorb. »Flick das, bis ich wiederkomm.«

Sie knickste und ging von Bord.

Er fuhr in den Herbststurm zum Fischfang und nahm Peder mit.

Falka ließ das Netz ein paar Tage ruhen. Dann nahm sie es sich vor und warf es im Hof aus.

Was da lag, war kein Netz mehr, gewaltige Löcher klafften darin, die Fäden waren vom Meersalz steinhart überkrustet, und es roch nach Fäulnis. Falka seufzte und kniete sich hin. Sie begann zu flicken und glaubte dabei daran, sich seine Liebe zu verdienen und eines Tages zu besitzen. Sie knotete, knüpfte, zurrte straff. Das Mühen machte ihr nichts, wenn der



Jelle Behnert wurde 1962 geboren, studierte in Berlin Publizistik und Literaturwissenschaften, schrieb danach u.a. für das Zeit-Magazin sowie Features für den Hörfunk und Drehbücher.