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Good as Gone

Ein Mädchen verschwindet. Eine Fremde kehrt zurück. Roman | Amy Gentry


2017 C. Bertelsmann Verlag; Houghton Mifflin Harcourt, Boston 2016
320 Seiten
ISBN: 978-3-641-20493-8

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€ 5,99


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Kurztext / Annotation
Ein intelligenter und packender Thriller mit der Frage «Was ist Identität?»
Tom und Anna haben das Schlimmste erlebt, was sich Eltern vorstellen können: Ihre 13-jährige Tochter Julie wurde entführt, alle Suchaktionen waren vergebens, die Polizei hat den Fall längst zu den Akten gelegt. Acht Jahre später taucht plötzlich eine junge Frau auf und behauptet, die vermisste Tochter zu sein. Die Familie kann ihr Glück kaum fassen. Doch schon bald spüren alle, dass die Geschichte der Verschwundenen nicht aufgeht. Anna hegt einen furchtbaren Verdacht. Sie macht sich auf die Suche nach der Wahrheit über die junge Frau, von der sie inständig hofft, dass es ihre Tochter ist, die ihr gleichzeitig aber auch fremd erscheint und das gesamte Familiengefüge gefährlich ins Wanken bringt ...

Good as Gone ist ein von Anfang an atemberaubend spannendes Buch darüber, wie wenig wir die kennen, die wir lieben. Amy Gentry spielt grandios mit verschiedenen Erzählperspektiven und führt die Leser auf zahlreiche falsche Fährten - bis zum fulminanten Finale.

Amy Gentry ist freie Literaturkritikerin und unterrichtet in Austin, Texas, englische Literatur an einer High School. Außerdem engagierte sie sich mehrere Jahre lang als Ehrenamtliche in einer Organisation für Opfer sexueller Gewalt. Ihr Debüt 'Good as Gone' wurde zu einem internationalen Bestseller und erschien in über 20 Ländern. Ihr zweiter Thriller 'Wie du mir' erschien Anfang 2019 und erhielt ebenfalls international große Beachtung. Amy Gentry lebt mit ihrer Familie in Austin.



Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1

Julie ist seit acht Jahren fort, aber tot ist sie schon viel länger - seit Ewigkeiten. Ich trete in die schwüle Luft hinaus, um meine letzte Seminarstunde des Frühjahrssemesters zu halten. Mitte Mai ist es in Houston so schwül, als würde einem jemand seinen heißen Atem ins Gesicht blasen. Noch bevor ich die Haustür abgeschlossen habe, bildet sich ein feuchter Film zwischen Haut und Kleidern; fünf Schritte zur Garage, und jede noch so versteckte Körperstelle ist glitschig geworden. Als ich schließlich am Auto bin, läuft mir der Schweiß sogar zwischen die Finger, sodass mir der Thermobecher mit Kaffee beim Einsteigen in den Geländewagen fast entgleitet und heiße Tropfen herausspritzen. Ein paar landen auch auf meiner Hand, aber ich ignoriere den brennenden Schmerz und stelle die Klimaanlage an.

Jedes Jahr kommt der Sommer ein Ideechen früher.

Ich setze den Wagen zurück durch das eiserne Sicherheitstor, das wir einbauen ließen, als es schon zu spät war, und fädele mich auf Anliegerstraßen zum Zubringer und auf die Interstate 10 durch, wo sich massive Autobahnauffahrten aus Beton wie geriffelte Dinosaurierschwänze in den Himmel schwingen. Um acht Uhr, wenn die Hauptverkehrsadern in der Rushhour völlig verstopft sind, schleiche ich durch den vierzehnspurigen Verkehrsinfarkt, eine Landschaft aus glänzenden Motorhauben und roten Rückleuchten, die im diesigen Morgenlicht matt blinken.

Weil ich freie Sicht über die Autos brauche, steht der benzinsparende Prius in der Garage, während ich tagein, tagaus mit Toms Koloss von schwarzem Range Rover - nicht, dass er ihn brauchen würde - über drei verschiedene Freeways zur Universität und zurück fahre. Wenn ich im Schneckentempo dahinkrieche, kann ich die anderen Fahrer im Berufsverkehr vergessen und mich auf die abblätternden Buchstaben an den Betonvordächern von Ladenzeilen konzentrieren: BIG BOY DOLLAR STORE, CARTRIDGE WORLD, L-A HAIR. Das neonpinke Grinsen eines Tex-Mex-Restaurants, ein gelb-blaues IKEA-Ungetüm ragen hinter der Mautstraße auf, die gelbstichigen Backsteine von Apartmentanlagen, durch wuchernde Hecken aus Kräuselmyrten kaum vom Freeway abgeschirmt - alles erinnert mich daran, dass das Schlimmste bereits geschehen ist. Ich brauche das, wie meine Mutter ihren Rosenkranz brauchte. Gegrüßet seist du, Mister Carwash, voll der Gnade, der Herr ist mit dir. Bitte für uns, o Qwik-Fast-Copyshop. Heilige Mutter des Self-Storage, zu dir seufzen wir.

Selbst Julies Plakatwände sind weg. Genau hier war mal eine, an der Kreuzung zwischen der I-10 und der Umgehungsstraße 610, am Seniorenhochhaus, das zwischen Baptistenkirche und Betonüberführung eingepfercht ist, doch die Treuhänder haben vor fünf Jahren beschlossen, dass die Plakate weg sollten. Oder ist es noch länger her? Ich glaube, es wurde ihnen zu teuer, auch wenn ich nie wusste, was sie kosteten - der Julie-Fonds ist Toms Terrain. Heute strahlt das überdimensionale zahngeweißte Lächeln des Predigers einer Megakirche von der Plakatwand, neben den Worten STATT JEDERMANNSGLAUBEN: JEDEN TAG NEU GLAUBEN! Ich wüsste gern, ob sie ihn einfach direkt auf ihr Gesicht gepappt oder ob sie sie zuvor in Streifen heruntergerissen haben. Was für ein unsinniger Gedanke; seither war so vieles andere plakatiert. Zahnärzte, Vasektomie-Rückoperationen. Aus dem Seminarplan von heute geistert mir ein Vers von Wordsworth durch den Kopf: Wohin ist nun die Strahlung der Vision,/Wohin die Herrlichkeit des Traums entflohn?

Ich setze den Blinker und fädele mich auf die Umgehungsstraße ein. Trotz all der Jahre, in denen ich die Lyrik von Wordsworth gelesen und erforscht habe - obschon ich nun also gleich in einem Seminarraum voll formbarer junger Studenten darüber dozieren werde und das auch weiterhin vorhabe, solange meine Universität mich auf meinem Posten belässt, ohne Publikationen, Gremienarbeit oder sonstige T